Obsoleszenzmanagement

Angewandte Normen

  • IEC 62402
  • VDMA 24903

HTV Angebote im Bereich des Obsoleszenzmanagements

Seminare/Workshops in der HTV Akademie

Obsoleszenzmanagement – Seminare und Workshops in der HTV Akademie >

Langzeitlagerung elektronischer Komponenten

Langzeitlagerung von elektronischen obsoleten Bauteilen mit der HTV-TAB®-Langzeitkonservierung >

Qualifizierung von elektronischen Bauteilen

Vergleichende elektrische Tests von Substituten und Äquivalenten eines alternativen Herstellers >

Ermittlung von Bauteilfälschungen

Detektion von Bauteilfälschungen, Bauteilbewertung (z. B. mit Lötbarkeitstest) und Baugruppenqualifikation >

Rework von Leiterplatten

Reparatur und Änderung von elektronischen Baugruppen, sowie Rückgewinnung (Refurbishing) von elektronischen Bauteilen >

Obsoleszenzmanagement im Überblick:

Obsoleszenzmanagement

Elektronische Bauteile sind regelmäßig von Produktänderungsmitteilung (Product Change Notification, PCN) und Produktabkündigungen (Product Discontinuance Notice, PDN) betroffen. Dies hat große Auswirkungen auf die weltweite Industrie. Wenn dringend benötigte Bauteile, Werkstoffe oder Werkzeuge nicht mehr vom Originalhersteller zur originalen Spezifikation zu Verfügung stehen, können kostenintensive Versorgungsengpässe entstehen. Dies wird als Obsoleszenz bezeichnet.

Für Unternehmen wird es daher immer wichtiger, ein aktives Obsoleszenzmanagement zu betreiben, um außerplanmäßige Kosten zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden. In allen Branchen der Investitionsgüterindustrie (Anlagegüter, Infrastruktur, langlebige Gebrauchsgüter, Verbrauchsmaterial sowie Softwareprodukte) treten Obsoleszenz-Fälle auf, da elektronische Bauteile nur einen Produktionslebenszyklus von wenigen Jahren haben. Es ist sogar möglich, dass Produkte mit bereits obsoleten Bestandteilen auf den Markt kommen, wenn die Entwickler während der Entwicklungsphase keine speziellen Vorgaben dazu machen.


Für die Definitionen und Zusammenstellung aller benötigten Begriffe sowie einen automatisierten und standardisierten Informationsaustausch zwischen Unternehmen, Änderungen und Abkündigungen von Produkten und Einheiten betreffend,
wurde der VDMA 24903 Standard zum Obsoleszenzmanagement geschaffen.

Reaktives Obsoleszenzmanagement

Obsoleszenz-Fälle werden in vielen Unternehmen rein reaktiv behandelt. Sobald es zu Lieferschwierigkeiten kommt, wird ein mehr oder weniger klar geregelter Prozess in Gang gesetzt, um eine passende Lösung zu finden. Dabei kann es vorkommen, dass aufgrund der Kürze der Zeit und des begrenzten Handlungsspielraums nur sehr kostenintensive Lösungen als Korrekturmaßnahme zur Auswahl stehen.

Damit dieser reaktive Prozess klar geregelt und koordiniert wird, sollte in jedem Unternehmen als verantwortliche Person ein Obsoleszenzmanager benannt werden. Unternehmen können dazu ihre Mitarbeiter in der HTV-Akademie in Kooperation mit der Firma Amsys GmbH als Obsoleszenzmanager ausbilden lassen. Die HTV-Akademie verfügt dazu über Trainer, die vom IIOM (International Insituts of Obsolescence Management) zertifiziert sind.

Aufgaben der Obsoleszenzmanager

Die Obsoleszenzmanager orientieren sich an der Norm IEC 62402, deren Aktualisierung von den Mitgliedern des Industrie-Interessenverbandes COGD (Component Obsolescence Group Deutschland) begleitet wird.

Obsoleszmanager regeln z. B. an welcher Stelle im Unternehmen die Produktänderungsmitteilung und Produktabkündigungen erfasst werden. Viele Unternehmen richten dafür ein eigenes E-Mail-Postfach ein. In Absprache mit der Geschäftsführung führen sie zudem eine Obsoleszenzmanagementrichtlinie mit grundlegenden Vorgaben im Unternehmen ein, wie das Obsoleszenzmanagement im Unternehmen etabliert wird. Sie verfassen zusammen mit den betroffenen Abteilungen einen Obsoleszenzmanagementplan (OMP) zu einzelnen Produkten und Geräten und führen Schulungen für die Mitarbeiter durch.

Obsoleszenzmanagementrichtlinie und Obsoleszenzmanagementplan (OMP)

Der Obsoleszenzmanagementplan (OMP) zu einem Produkt oder Gerät enthält die wichtigsten Informationen, die notwendig sind, um ein reaktives und bei Bedarf auch ein proaktives Obsoleszenzmanagement durchführen zu können.

Der OMP wird unter Anleitung der Obsoleszenzmanager zusammen mit den betroffenen Abteilungen (z. B. Einkauf, Entwicklung, Qualitätsmanagement, Geschäftsführung, Kunden, Hersteller, Lieferanten und der Finanzabteilung) verfasst.

Dieser beschreibt unter anderem das Produkt oder Gerät mit dessen technologischen Parametern und wirtschaftlichen Aspekten (z. B. wie viele Jahre es produziert werden soll) und wie Informationen mit den Kunden ausgetauscht werden. Für einen einheitlichen Informationsaustausch zu PCNs und PDNs ist es empfehlenswert, den VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) 24903 zu berücksichtigen.

Über die Plattform www.pcngenerator.com können Daten gemäß VDMA 24903 erfasst und versandt werden (z. B. Hersteller, Kundenteilenummer (KTN), geplante Produktionszeit, Lebensphase, geplantes Ende der Produktion (end of production, EOP) etc.).

Der OMP benennt die in einem Produkt verbauten kleinsten tauschbaren Einheiten. Diese sind in der Regel in der Stückliste eines Produktes (engl. Bill Of Materials, BOM) aufgeführt. Auch die Daten zu diesen werden in der Unternehmensdatenbank auf Aktualität geprüft. Je besser die Datenpflege und Datenzugänglichkeit in einem Unternehmen ist, umso besser kann bei einem Obsoleszenz-Fall geprüft werden, welchen Einfluss eine Änderungs- oder Abkündigungsmitteilung auch auf andere Produkte hat.

Risikoanalyse für komplexe Einheiten

Eine zentrale Aufgabe der Obsoleszenzmanager besteht darin, im OMP festzulegen, ob eine Einheit als einfach oder komplex einzustufen ist. Zu einfachen Einheiten zählen z. B. Bauteile mit einem Standarddesign, Normteile oder auch eigene Produkte. Diese Einheiten haben in der Regel ein geringes Obsoleszenzrisiko und können mit einem reaktiven Prozess behandelt werden.

Zu komplexen Einheiten gehören unter anderem Zukaufteile, Bauteile mit wenigen alternativen Herstellern und solche mit seltenen Herstellungstechnologien. Bei diesen komplexen Bauteilen ist es wichtig, eine Risikoanalyse durchzuführen zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Obsoleszenz-Falls und dessen Auswirkungen auf die betroffenen Produkte.

Die wichtigsten Parameter der Risikoanalyse sind die Anzahl verfügbarer Hersteller der Einheit, eine Vorhersage zum Produktionsende der Einheit (EOP-Forecast) und der Lagerbestand. Für die automatische Durchführung solcher Risikoanalysen bietet die Firma AMSYS GmbH z. B. passende Softwareprodukte an.

Beispiel links: Obsoleszenz Status, Beispiel rechts: RoHS Status

Korrekturmaßnahme bei Obsoleszenz-Fällen

Der OMP enthält zusätzlich eine Auflistung von reaktiven und proaktiven Lösungen, von denen nach Möglichkeit immer die kosteneffizienteste Korrekturmaßnahme durchgeführt werden sollte.

Im Vergleich zu einem rein reaktiven Obsoleszenzmanagement ermöglicht das proaktive Obsoleszenzmanagement durch die durchgängige Überwachung der Einheiten die Auswahlmöglichkeit einer kosteneffizienteren Lösung. Reaktive Maßnahmen sind z. B. die Abkündigung des eigenen Produktes oder der Verbrauch eigener Lagerbestände.

In der Regel wird es notwendig sein, bei Abkündigung einer Einheit einen Bevorratungskauf mit einer Langzeitlagerung (Lagerzeit: > 1 Jahr) durchzuführen.

Für diesen Fall empfiehlt es sich, die benötige Restmenge an Bauteilen zu berechnen und mit der HTV-TAB®-Langzeit-Konservierung für die gewünschte Lagerzeit sicher und ohne Alterungserscheinungen einzulagern.

Lösungsansätze bzw. Korrekturmaßnahmen bei einem Obsoleszenz-Fall

„RA“ (Reaktiver Ansatz)„PA“ (Proaktiver Ansatz)
Abkündigung des eigenen ProduktesGeplante Designänderung
Vorhandenen Lagerbestand verbrauchenProaktiver Bevorratungskauf und Langzeitkonservierung
Hersteller Vereinbarungen (Abkündigung/Reklamation)Vereinbarungen und Partnerschaften mit Herstellern
Bevorratungskauf und LangzeitkonservierungNachhaltige Technologien und Materialien
Substitute – Äquivalente EinheitTechnologie Transparenz, Modularität
Substitute – Alternative EinheitErlangung von IPR, Softwarelizensierung
Aftermarket Quellen 
Rückgewinnung / Rework / Refurbishing 
Reparatur 
Emulation / Nachbildungen 
Kleines bzw. großes Redesign 

„RA“ (Reaktiver Ansatz)

RA: Eigene Abkündigung:

Kann eine Firma aufgrund eines Obsoleszenzfalls keine Produkte mehr fertigen, kann sie selbst die betroffenen Punkte bei sich abkündigen.

RA: Hersteller Vereinbarungen (Abkündigung/Reklamation):

Wenn eine Abkündigung durch eine passende Vertragsgestaltung abgewendet werden kann, ist dies eine sehr einfache und z. T. sehr kostengünstige Lösung einen Obsoleszenzfall zu schließen. Ein Redesign sollte aber proaktiv geplant werden, falls der Hersteller die Produktion irgendwann tatsächlich vollständig einstellt.

RA: Vorhandenen Lagerbestand verbrauchen:

Sind im Lager noch mehr Einheiten, als im geplanten Produktlebenszyklus des Produktes benötigt werden, ist die Reichweite ausreichend groß. Eine Abkündigung der betroffenen Einheit stellt damit keine Gefahr für die lückenlose Produktion des Produktes dar.

RA/PA: LNB-Käufe:

Solange noch Ware am Markt verfügbar ist, kann diese reaktiv bei einem Obsoleszenzfall oder proaktiv während der laufenden Produktion gekauft werden. Restbestände können einen höheren Preis haben als die ursprüngliche Ware, ermöglichen aber eine einfache Aufrechterhaltung der Produktion. Im proaktiven Prozess wird angestrebt den Kauf frühzeitig einzuleiten, um sicherzustellen, dass die Ware noch in ausreichender Menge bezogen werden kann.

RA: Substitute – Äquivalente Einheit:

Ist die notwendige Reichweite einer Einheit z. B. eines bestimmten elektronischen Bauteils durch den vorhandenen Lagerbestand nicht mehr gegeben, versucht der Obsoleszenzmanager zusammen mit der Entwicklungsabteilung ein Bauteil zu finden, das z. B. durch einen alternativen Hersteller angeboten wird und in Form-Fit-Funktion und seinen Schnittstellen (FFFS) das ursprüngliche Bauteil vollständig ersetzen kann.

RA: Substitute – Alternative Einheit:

Eventuell kann nicht exakt das obsolete Einheit erworben werden, aber in Zusammenarbeit zwischen OM und der Entwicklungsabteilung ein alternatives Bauteil gefunden werden, das mit leichten Modifikationen eingesetzt werden kann (z. B. Anpassung von Software, Anpassung von Werkzeugen in der Fertigung oder durch die Verwendung eines Adapters).

RA: Aftermarket Quellen:

Möglicherweise kann die Ware noch über andere Quellen als den Originalhersteller beschafft werden.

RA: Rückgewinnung/Rekuperation/Refurbishing:

Es kann sein, dass Einheiten aus anderen Produkten entnommen und in das eigene Gerät eingesetzt werden können (z. B. können elektronische Bauteile von einer nicht benötigten Baugruppen mit dem Rework-Verfahren abgelötet werden).

RA: Reparatur/Rework:

Eventuell kann durch einen Reparaturprozess (z. B. mit dem Rework-Verfahren) die Lebensdauer elektronischen Baugruppe durch den Tausch von elektronischen Bauteilen (Einheiten) verlängert werden.

RA: Emulation / Nachbildungen:

Ein aufwändiger Prozess besteht darin, die ursprüngliche Einheit mit einer anderen Einheit nachzubilden. Die Emulation oder der Nachbau können einen erheblichen Aufwand an Kosten und Zeit darstellen.

RA/PA: (Kleines / großes / geplantes) Redesign bzw. Updates

Ein Redesign kann abhängig vom Umfang her sehr teuer werden, da Kosten sowohl für die Entwicklung, eine mögliche Zertifizierung, als auch Produktion anfallen. Es sollte daher immer das Ziel sein den Redesign-Prozess proaktiv zu planen.

„PA“ (Proaktiver Ansatz)

PA: Nachhaltige Technologien und Materialien

Entwickler sollten aktiv Vorgaben erhalten, um keine veralteten Einheiten mehr in ein Produkt einzufügen. Dies kann z. B. durch eine Überwachung von elektronischen Bauteilen, Technologien und Materialien sichergestellt werden.

PA: Technologie Transparenz, Modularität

Durch die geschickte Gestaltung von Verträgen und Spezifikationen kann ein modularer Ansatz zum Austausch von Einheiten etabliert werden. Wird eine Einheit obsolet, muss eventuell nicht mehr exakt die betroffene Einheit ausgetauscht werden, sondern nur ihre Funktionen oder ihre Eigenschaften durch eine alternative Einheit realisiert werden. Bei zertifizierten Produkten kann dieser Ansatz aber ev. ausgeschlossen sein.

PA: Erlangung von IPR, Softwarelizensierung

Wenn eine Einheit nicht länger produziert wird, kann es eine Lösung darin bestehen, das Knowhow für die Produktion der gewünschten Einheit zu kaufen oder zu lizensieren und diese über einen anderen Hersteller aufrecht zu erhalten. Diese Lösung kann deutlich günstiger sein als ein Redesign.